Freitag 26.04.2024: Fahrradtour Kempten - Karwendelhaus
Georg:
Nach einer kurzen Nacht starten wir pünktlichst um 6 Uhr unsere Reise in Richtung Scharnitz. Das Wetter ist optimal und wir kämpfen uns durch das wellige Terrain aus Kempten heraus in Richtung Reutte.
Ich bin angespannt und rechne immer wieder im Kopf durch zu welchen Uhrzeiten, wir spätestens wo sein sollten, dass wir es heute noch aufs Karwendelhaus schaffen. Die 130 Kilometer möchte man jetzt meinen, radelt man doch einfach ganz entspannt noch am Vormittag runter, wenn man in der früh startet...ja, des mag schon sein, wenn man keine Ski, Skischule, LVS-Ausrüstung, Ski Klamotten, Steigeisen,... am Fahrrad dabei hat. Mit eben jenem Trainingsgewicht dauert die Fahrt dann schon etwas länger und wir hatten schon zu tun einen 15er netto Schnitt zu halten. Deswegen überlegte ich zu Beginn auch immer Mal wieder auf die nebenan laufenden Bahn bis Reutte auszuweichen, um die Wahrscheinlichkeit heute noch anzukommen deutlich zu erhöhen.
Kurz nach Pfronten geht es dann das erst Mal über die Grenze und kurz darauf gibt's auch den ersten Boxenstopp am Supermarkt. Bis hierher waren die Straßen größtenteils super zu fahren und auch der Verkehr hielt sich sehr in Grenzen.
Das ändert sich nun. So müssen wir uns den vielbefahrenen Fernpass Hochkurbeln, da die anderen Alternativen aufgrund der noch vorhandenen Schneelage unpassierbar sind. Zu Beginn schauen wir trotzdem nochmal kurz, ob wir eine Umgehung finden und ob Fahrrad fahren hier überhaupt erlaubt ist, dann geht es schon unter der Highline 179 hindurch. Die meisten Autofahrer sind relativ rücksichtsvoll, aber ein paar ****** gibt es immer und genau wegen denen hatte ich schon ein ganz schlechtes Gefühl. Also versuchte ich, dass Tempo zu erhöhen ohne Eric zu verlieren, um möglichst schnell von dieser Straße zu kommen. Das Tempo ist dann auch zu hoch und die Konzentration auf die Straße zu permanent, um den Abzweig nach Heiterwang auf dem Navi noch im Handlungsbereich zu realisieren. Das 100 m nach dem Abzweig stehende Schild, dass man ab hier nicht mehr Radfahren darf, machte die Situation dann auch nicht besser. „Scheiße!“, denk ich mir. „Ganz schlecht. Erstmal weiterradeln. Wenden ist hier ein Himmelfahrtskommando.“ Beim Erblicken des ersten Tunnels rattert mein Kopf: "Da können wir nicht reinfahren, da werden wir abgeräumt." Also bleiben wir vor dem Tunnel auf dem nichtvorhanden Seitenstreifen stehen. Erstmal kurz durchatmen. Die Situation scheint erstmal ausweglos, bis gegenüber in der Lärmschutzwand ein Tor auffällt. "Also wenn wir da durch könnten...des wär gut, wenn’s da net weitergeht müssen wir die Scheiße hier bis zum Abzweig wieder zurück." In dem Moment muss ich auch dran denken, dass mir Eric an Abend noch erzählt hat, dass er bis dato noch nie über 60 km gefahren ist und es ohnehin erst die zweite Fahrt mit dem neuen Fahrrad ist. Was er sich wohl grad denkt?
Wir passen einen Moment ab, um die Straße zu überqueren und glücklicherweise geht das Tor tatsächlich auf. „Wahnsinn!“ Dahinter stehen wir erstmal 30 cm im Schnee. „Egal. Endlich weg von dieser Straße!“ Nicht auszudenken hätten wir uns die abgefahren Meter nach dem verfehlten Abzweig wieder nach oben kurbel müssen. Dann doch lieber 200 m durch den Schnee schieben bis zur nächsten Straße.
Ich bin mental das erste Mal angekratzt, weil ich den Abzweig am Navi nicht gesehen haben, sich der Schlafmangel bemerkbar macht, die Aktion ne halbe Stunde verschlungen hat und ich mich sehr verantwortlich für Eric fühle. Für Letzteres gibt es allerdings eigentlich gar keinen Grund, denn Eric fährt bis dato überragend.
Es geht weiter immer in Richtung Ehrwald. Schleppend. Sehr schleppend. Der Fahrradweg verläuft auf einem Forstweg, auf dem wir nur sehr langsam vorwärtskommen und Angst haben müssen, bei jedem Schlag durch die überfahrenen Regenrinne mit einem Platten davonzukommen. Das erste Mal komme ich ins Grübeln, ob wir uns nicht zu viel zugemutet haben. Wir haben gerade so die Hälfte der Wegstrecke nach Scharnitz hinter uns.
Endlich kommen wir in Ehrwald an und fallen direkt in den ersten Supermarkt ein. Dort machen wir eine Pause und vespern eine kurze Runde in der Sonne. Ich checke nochmal das Navi und Stelle erfreulich fest, dass es eigentlich, bis Garmisch nur noch bergab gehen müsste. So ist es dann auch. Gut für den Kopf und die Beine. Die Abfahrt kommt genau zum richtigen Zeitpunkt und innerhalb einer Stunde stehen fast 40 km mehr am Tacho. Es fühlt sich für mich wieder machbar an. Den Schwung der Abfahrt nutzen wir und fahren direkt nach Mittenwald weiter. Dort angekommen stocken wir unserer Vorräte auf und fahren mit Proviant für zwei Tage in Richtung Scharnitz. Kurz bevor wir dort ankommen hat Eric noch einen Platten. "Des hat etz noch sein müssen" ,denk ich mir. Aber gut hilft nix. Rad ausbauen, kurz verzweifeln, weil der Reifen net übers Felgenhorn springen will, erstes Loch finden und flicken, beim zweiten ebenso und alles wieder einbauen. "Hoffentlich das letzte Mal heute", denk ich mir.
In Scharnitz geht es dann relativ schnell zur Sache, der Forstweg steilt sich auf und ich komm ganz schön ins Schwitzen, bis wir endlich in dem Tal drin sind. Danach flacht der Weg deutlich ab und wir treffen auf andere Skitourengeher, von denen wir die Information über super Verhältnisse bekommen.
Wir fahren weiter bis wir hinter der Wildtierfütterung unsere Räder abstellen und auf Skitourenbetrieb umrüsten. Sollten wir am Sonntag die Karwendelreibn gehen können, würden wir direkt hier rauskommen, wo jetzt unsere Räder stehen. Perfekt. Genau bis hierher hat man das Fahrrad noch fahren/schieben können. "Mein Gott haben wir das hier perfekt erwischt. Dusel."
Die ersten Meter auf den Ski fühlen sich für mich unglaublich befreiend an. Endlich. "Jetzt noch schnell die 500 Hm rauf zum Karwendelhaus und dann haben wirs geschafft. Wahnsinn." Zuerst geht es relativ flach dahin und die Höhenmeter in Richtung Hütte schwinden nur langsam. Nach kurzer Zeit kommen wir im Talschluss an und die ersten Serpentinen in Richtung Hütte beginnen. Jetzt eigentlich nur noch 300 Hm. "Des dauert etz nimmer lang", wabert es mir immer wieder durch den Kopf. Doch es wird anstrengender. Es ist nicht mehr gespurt und ich sinke bei jedem Schritt gute 20 cm wieder ein und auch die Forststraße tut alles mit minimaler Steigung, um uns möglichst lange zu quälen.
"Des kann doch etz net sein, dass des sich etz bis zu Hütte so hochzieht." Ich merk, wie meine Beine der Radfahrt zuvor so langsam Tribut zollen auf dieser schier nicht enden wollenden Forststraße. Eric hat auch schon länger nichts mehr gesagt, also versuch ich ihn mit den nur noch wenigen ausstehenden Höhenmetern zu montieren. Klappt mittelmäßig, wenn man bedenkt, dass 20 Hm so schnell vergehen, wie sonst 50 Hm. "Oh man, was ein Hatscher".
Oben auf dem Hochplateau angekommen sind es nochmal 70 Hm, die nach oben zum Winterraum gespurt werden wollen. Ich bin froh als ich endlich oben bin. Beim Zurückschauen seh ich, wie sich Eric nach oben quält. "Was ne Maschine der Kerl! Noch nie über 60 Kilometer Rad gefahren und dann hier heute mit wenig Schlaf nach fast 140 Kilometern mit dem Fahrrrad noch hoch. Wild."
Der Winterraum ist ein Traum. Sogar Getränke sind oben. Wahnsinn. Vielen Dank an die Betreiber! Der Winterraum setzt wieder neue Kräfte frei und so brennen die beiden Öfen in Windeseile und wir köcheln noch Spaghetti Carbonara und trocknen unsere Klamotten.
Gegen 23 Uhr fallen wir ins Bett und ich bin überglücklich und stolz, dass wir diese Tour heute geschafft haben. Einen riesen Respekt an Eric der die Tour so durchgezogen hat und Bock drauf hatte seine Grenzen zu verschieben. Wirklich krass!
Eric:
Der große Tag steht an: Der Wecker klingelt um 05:00 Uhr, nach 10 min schlummern stehen wir dann auch mal auf. Wir frühstücken und bereiten die allerletzten Sachen noch vor um dann pünktlich um 06:00 Uhr auf den Rädern zu sitzen.
Schnell merk ich, dass es doch nicht so entspannt wird diese 130km durchzuhalten. Dank regelmäßiger Pausen kommen wir, trotz einigen Kilometern auf dem Fernpass, ganz gut durch. Die letzten Kilometer vor Ehrwald ziehen sich, dank Schotterradwegen, Schlaglöchern und einiger Höhenmeter, wie Kaugummi. Aber eine längere Pause mit Pizza, Bananen und Joghurt vom Feneberg gibt uns neue Energie.
Nun steht die coolste Etappe bevor: Die bisher geradelten Höhenmeter können wir bis Garmisch wieder runterballern. So schaffen wir in einer Stunde noch mal einige Kilometer und nutzten die Euphorie um direkt bis nach Mittenwald durchzufahren. Hier machen wir Mittag, gehen unsere Vorräte einkaufen und packen vor dem Baumarkt unsere Müslirationen und Weckla fürs Wochenende. Ich spür die Beine schon gut, aber die Zeit sitzt uns im Nacken, deshalb wollen wir auf dem flachen Stück vor Scharnitz noch mal bissl Gas geben. Natürlich muss ich ausgerechnet jetzt einen Platten haben. Flickzeug und Ersatzschlauch habe auch nicht dabei. Nach etwas Mühen den Reifen von der Felge runter zu bekommen und mit Georgs Flickzeug schaffen wir es dann doch halbwegs zügig weiter zu kommen.
Nach Scharnitz warten dann noch mal einige Höhenmeter auf uns. Meine Beine brennen, aber das Ziel ist in greifbarer Nähe. An der Schneegrenze angekommen stellen wir unsere Räder ab und die ersten 130km sind geschafft.
Jetzt heißt es noch bis zum Karwendelhaus hochcruisen. Die ersten Meter noch voll motiviert und voller Elan, merke ich doch relativ bald, dass ich an meine Grenzen komme. Doch man sieht immerhin inzwischen das Karwendelhaus. Der Forstweg hat eine Steigung von gefühlt 0,5%, wodurch sich der Weg nur noch länger zieht. Die letzten 3 Serpentinen waren eine Qual, aber um 21 Uhr kommen wir endlich am Winterraum an. Jetzt noch den Ofen anschüren, Essen machen, Schnee abkochen und dann endlich ins Bett. Danke noch mal an Georg, der den Weg nach oben gespurt hat, ohne hätte ich es nicht mehr hoch geschafft.