© Benedikt Rauh

Westalpentrip

Samstag, 22.08.2020: Anreise

Um 9 Uhr starten wir in Richtung Berge, in der Hoffnung Alles eingepackt zu haben. Wie sich später herausstellen sollte, mal wieder nur Wunschdenken, da es auch auf die kleinen Dinge in Form eines Gasschlauchadapterstücks ankommt. Dafür sind wir ausgestattet mit Funkgeräten und unter fachmännischer Anleitung wird während der Fahrt fleißig gefunkt. „Bravo an Alpha kommen.“ -„Bravo hört“ - weshalb uns Schweizer Funker für die Polizei halten. Nach knappen 7 Stunden Fahrt erreichen wir schließlich unseren Campingplatz Mattli (1585m) bei Göschenen in den Urner Alpen, wo uns Niklas schon erwartet. In der wunderschönen, aber anfangs noch bedeckten, Bergkulisse bauen wir unsere beiden 6 und 4 Mann Zelte auf. Dabei staunen andere Camper nicht schlecht über unsere mitgebrachten Vorräte, die wir mit einem Wagen zur Zeltwiese transportieren (darunter 14 kg Nudeln und 16 kg Müsli). Zum Abendessen gibt es Spaghetti mit Cocktailtomaten und Mozzarella und im Anschluss packen wir in Vorfreunde auf unsere erste Klettertour die Rucksäcke.

Sonntag, 23.08.2020: Bergseeschijen Südwand

Unser bis Montag krankheitsbedingt fehlender Leiter meint, die Gruppe sei ohne ihn hilflos und würde planlos wie ein paar aufgescheuchte Hühner um die Zelte laufen. Zu unserem Glück ist dies nur seine Vorstellung und nicht die Realität. Denn in Wahrheit steht der Plan fest, dass wir um 6 Uhr aufstehen. Jeder, der gehofft hat zehn Minuten länger schlafen zu können, wird dennoch um Punkt sechs von einer

Glockensinfonie geweckt. Da wecken nicht gleich aufstehen bedeutet, dauert es eine Weile, bis alle sieben Personen am Frühstückstisch sitzen und ihr Müsli genießen. Danach werden die Rucksäcke final gepackt und ehe man sich versieht, ist es schon 8:30 Uhr, als wir in Richtung Göscheneralpsee losfahren. Um 9 Uhr sind die Rucksäcke gesattelt und die Mannschaft bricht euphorisch und voller Vorfreude, trotz der starken Bewölkung, in Richtung Bergseeschijen auf. Nach einem kurzen Abstecher zur Bergseeschijen Hütte stehen alle um 11 Uhr am Einstieg der Bergseeschijen Südwand (5c, 11 SL) und ziehen ihr Klettergraffel an. Gegen 11:30 Uhr klettern dann alle in jeweils zwei Zweier und einer Dreierseilschaft los. Leider kommen wir in keinen richtigen Flow, da eine langsame Seilschaft bereits in der Route ist. Zusätzlich geht ständig ein eiskalter Wind, welcher so manche Wartepause zur Tortur werden lässt. Aber dennoch macht die Kletterei Spaß. An der Stelle, an der unsere Tour auf den Südgrat trifft, seilt sich die vorgehende Seilschaft mit interessanten Manövern ab. Wir aber klettern noch die letzten traumhaften Seillängen im extrem festem Granit zum Gipfel des Bergseeschijen (2816 m), welchen wir gegen 17:30 Uhr erreichen. Um 18 Uhr geht es über den Ostgrat erst zurück zur Hütte und dann wieder zum Parkplatz, weshalb wir erst gegen 20:30 Uhr am Campingplatz das Kochen anfangen. Zu unserem Glück steht ein recht einfaches kulinarisches Schmankerl, nämlich Nudeln mit Pesto, auf dem Menüplan. Nichts desto trotz wird es schnell dunkel und damit auch bitter kalt. Somit ist jeder froh, sich nach einem langen und kalten Tag in seinen warmen Schlafsack kuscheln zu können.

Montag, 24.08.2020: Sportklettern Sandplatten

Am Montag können wir den Morgen etwas entspannter angehen, da keine lange Mehrseillängenkletterei ansteht, sondern es zum Sportklettern an die Sandplatte geht. Nach wenigen Minuten Autofahrt und einem kurzen Zustieg von 15 Minuten kommen wir an den Einstiegen an. Wir klettern zuerst die Routen Reisfresser (5C, 4 SL) und Ying – Yang (5C, 4 SL). Diese sind, wie die meisten beliebten Reibungsklettereien hier, durchweg gut mit Bohrhaken abgesichert, wodurch wir sie bei bestem Wetter voll genießen können. Danach steigt eine Seilschaft in der Nachbarwand in eine schwierigere Route ein, um diese im Freikletterstil zu bezwingen, eine andere Seilschaft packt zeitgleich die Trittleitern aus und klettert technisch. Sehr interessant zum Ansehen ist die etwas höher gelegene Sandbalmhöhle, in der im 17. und 18. Jahrhundert Bergkristall abgebaut wurde. Im Anschluss erfrischt sich noch der ein oder andere im eiskalten Gebirgsbach, bevor es zurück zum Campingplatz geht. Gegen Abend wird Bene vom Bahnhof Göschenen abgeholt. Leider hat er den richtigen Gasadapter nicht besorgen können, bringt stattdessen aber einen kompletten Kocher mit, auf dem dann gleich das Abendessen gekocht werden kann.

Dienstag, 25.08.20: Bergseeschijen Südwand

In Anbetracht der morgigen Fahrt ins Wallis und der vergangenen Klettertage wollen wir es heute etwas ruhiger angehen lassen. Eigentlich ist am Vorabend schon ein Plan beschlossen worden. Aber nur eigentlich!

Wer kennt es nicht? Beim erneuten Durchblättern des Kletterführers oder der Handyfotos des Plaisir Ost Führers (Grüße gehen raus an die freundlichen Mitglieder der Sektion Oberland) beginnt bei den Teilnehmern das Träumen von großen Klettertouren.

Daher entflammt am Morgen erneut die Diskussion, ob man heute nochmal Gas gibt oder lieber entspannt und den Tag im „Infinity Pool“ ausklingen lässt. Auch nach dem Versuch manchen Leuten in der Gruppe die Bedeutung des Wortes „infinity“ (engl. Unendlichkeit) nochmal zu erklären, ändert sich nichts an deren Einstellung. Nach dem Motto: Hauptsache man kann baden, notfalls auch im eisigen Gebirgsbach, wird die Badehose und das Handtuch in den Rucksack gepackt.

Nach einigem Hin und Her kann man sich dann zum Glück doch einigen und wir brechen zum Bergseeschijen auf, dem Klettersektor an dem wir bereits am Sonntag schöne Kletterpassagen erlebt haben. Das Wetter ist heute deutlich besser. Blauer Himmel und ein wunderbares Panorama erwarten uns.

Nach kurzer Autofahrt und dem etwa 90 minütigen Zustieg können im ausgewählten Kletterabschnitt, je nach Belieben, zwischen 4 und 11 Seillängen feinsten Granits geklettert werden. So kommt jeder auf seine Kosten.

Die vier Seilschaften teilen sich auf und als gemeinsamer Treffpunkt  wird der Gebirgssee an der „Bergseehütte“ ausgewählt. Der Hüttenname ist Programm und der glasklare, türkisfarbene See erklärt schnell, warum auch die Hüttenwirtin ihren Bikini auf der Hütte dabei hat.

Ein gespanntes Stahlseil über den See weckt die Neugier und sorgt bei manchen in der Gruppe zu Höchstleistungen im Gehirn, aber für eine Seeüberfahrt haben wir leider kein passendes Material dabei. Notiz fürs nächste Mal: Seilrolle mitnehmen.

Nach der angenehmen Erfrischung kündigt sich langsam der Hunger an und wir machen wir uns an den Abstieg. Am Campingplatz angekommen kümmert sich ein Teil um „Spaghetti Carbonara nach Art des Zeltes“ und der Rest bereitet das Lagerfeuer vor. Nach dem leckeren Abendessen sitzen wir am Feuer. Beim Blick in die Flammen oder hinauf zur Milchstraße kann man bereits vom Gletscher träumen, ehe sich jeder in seinen warmen Schlafsack zurückzieht.

 

Mittwoch, 26.08.2020: Aufstieg Britanniahütte

Heute können wir, nachdem wir vor zwei Tagen die Entscheidung gefällt haben ins Wallis zu fahren, alle getrost ausschlafen. Nach einem ausgiebigen Frühstück werden noch entspannt die letzten Feinjustierungen an den Steigeisen vorgenommen und die Rucksäcke gepackt. Die Fahrt zu unserem Ausgangspunkt unterhalb des Stausees Mattmark entpuppt sich als länger als ursprünglich vermutet. So beginnen wir, mit nun doch einem Hauch von Zeitdruck im Nacken, den mit drei Stunden und 20 Minuten ausgeschriebenen Aufstieg auf die Britannia Hütte. Der Weg schlängelt sich den Berghang hinauf über zwei Bergbäche und vorbei an einer großen Plattform, welche vermutlich einmal dem Militär diente. Nach einem kurzen Steilstück, wird der Weg nochmal sehr eben. Von hier aus können wir die ersten Blicke auf unser morgiges Tagesziel, das Rimpfischhorn erhaschen. Zu guter Letzt geht es über vom Gletscher glatt polierte Platten und ein vereistes Schneefeld schließlich zur Hütte auf etwas über 3000 Meter über dem Meeresspiegel. Dort verstauen wir unser Equipment im Schuhraum und besichtigen das Achtbettlager, welches uns für diese hoffentlich nicht all zu kurze Nacht zugeteilt wird. Dann ist es auch schon Zeit zum Abendessen. Nach zwei großen Portionen Suppe und einem Salat kommt der Hauptgang, den wir dreimal wieder auffüllen lassen, bis schließlich nach Angabe der Hüttenwirtin die Speisekammer leer ist. Was sie aber nicht davon abhält uns anzubieten, noch eine Nacht zu bleiben. Satt und voller Vorfreude auf den kommenden Tag schlüpfen alle gegen 21 Uhr in ihre Betten, um so viel Schlaf und Kraft wie möglich für die auf uns zu kommende Tour zu bekommen.

Donnerstag, 27.08.2020: Rimpfischhorn

Um 3 Uhr ist die Nacht vorbei. Wobei das nicht ganz wahrheitsgemäß ist, denn manch ein Teilnehmer zieht es vor, von seinem eigenen Wecker zwei Minuten früher geweckt zu werden, um dem obligatorischen „Beautiful Day“ von U2 auszuweichen. Dies führte bereits in der Vergangenheit zu Unstimmigkeiten innerhalb der Gruppe und so war es kein Wunder, dass auch an diesem Morgen genervte Sprüche wie „du mit deiner scheiß Uhr, da kann doch keine Sau ausschlafen!“ die Runde machen.

Nach dem reichhaltigen Frühstück deponieren wir unsere unnötigen Dinge (Hüttenschlafsack, Kocher, …) im Trockenraum und sind gegen 4:15 Uhr mit gepackten Rucksäcken Abmarsch bereit vor der Hütte. Im Schein der Taschenlampen brechen wir auf, in Richtung Rimpfischhorn (4199m). Nach einer dreiviertel Stunde stehen wir am Gletscher und teilen uns in zwei Seilschaften à vier Personen auf. Von nun an gilt es den besten Weg durch das Spalten-Labyrinth zu finden und dabei möglichst wenig Zeit zu verlieren. Dies gelingt unserem Spürhund Beppo ganz gut, so gut, dass sich eine weitere Seilschaft, die bereits eine halbe Stunde vor uns die Hütte verlassen hatte, an unsere Fersen heftet. Am Ende des Gletscherbruchs orientieren wir uns nach Westen in Richtung Allalinpass. Von dort läuft man normalerweise auf der gleichen Höhe bleibend um zwei vom Nordgrat kommende Felsgrate herum, um nach dem zweiten Felsgrat hinauf zum Rimpfischsattel zu steigen. Anstatt der Routenbeschreibung genau zu folgen steigen wir vom Allalinpass zu steil auf und finden uns nach kurzer Zeit auf dem ersten Felsgrat wieder. Nach kurzer Besprechung entscheiden wir uns den Grat abzuklettern, um im Kessel dahinter wieder auf die eigentliche Aufstiegsroute zu stoßen, die uns ohne weiter Komplikationen auf den Rimpfischsattel führt. Dort angekommen teilen wir uns in Zweier Seilschaften auf und steigen nacheinander den leichten aber doch an manchen Stellen brüchigen Grat zum Gipfel empor. Dort oben gegen 11:15 Uhr haben wir ein herrliches Panorama, welches die 4000er des Wallis genauso schön zeigt, wie den Gipfel des Mont Blanc am Horizont. Vor dem Abstieg diskutieren wir noch wild, ob eine Überschreitung über den Nordgrat eine Option für den Abstieg darstellt, entscheiden uns schlussendlich aber dagegen.

 

Nach dem zügigen Abstieg verkriechen wir uns noch etwas abseits des Grates auf einen windgeschützten Absatz. Dort mampfen wir unsere Brotzeit und versuchen eine ausgedehnte Pause zu vermeiden. Denn manch einer von uns nimmt den Spruch: „Nach dem Essen sollst du ruh’n …“ sehr ernst und ist nach eigener Erfahrung schwer davon abzuhalten innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde einzuschlafen. Deswegen halten wir uns an den zweiten Teil des Sprüchleins „… oder 1000 Schritte tun“ und beginnen unseren Abstieg.

Auf dem gleichen Weg geht es wieder zurück zur Britanniahütte. Am Gletscherbruch halten wir uns nun deutlich weiter östlich und können so einen Großteil des spaltenreichen Gletschers umgehen. Als wir an der Hütte gegen 16:30 Uhr ankommen, verstauen wir unseren deponierten Krempel wieder in unseren Rucksäcken. Nicht ganz ohne Probleme. Ich will an dieser Stelle keine Namen nennen (Datenschutz,…), aber Tetris scheinen nicht alle von uns als Kinder gespielt zu haben. So wird zumindest nochmal die Naht des ein oder anderen Rucksacks auf ihre Festigkeit geprüft.

Von der Hütte aus warten nochmal 1300 TM auf uns. Die in Summe mit den anderen Tiefenmetern an diesem Tag wohl knapp an der 3000er Marke kratzen dürften (die Knie werden es danken und mancher wird vielleicht in Zukunft doch an seine Stecken denken). Aber auch dieser Abstieg hat nach weiteren zwei Stunden ein Ende.

An den Autos angekommen, machen wir uns daran alle Rucksäcke zu verstauen und die Schuhe und Socken ins Jet Case geruchsdicht zu verpacken. Der Wanderpokal des „Blasenkönigs“ geht in diesem Jahr, nach einstimmiger Abstimmung, an unseren head of plaster everywhere (hope) Fabi. Nach 20 Uhr sind dann auch noch die Reste der Brotzeit vernichtet und die Füße im Bach gewaschen und wir sind abfahrtsbereit für die Rückfahrt nach Göschenen. Also wieder 3 Stunden im Auto zurück über den Furkapass gurken. Die Rückfahrt dauert allerdings deutlich kürzer als die Hinfahrt, das hat unterschiedliche Gründe. Für unsere schlafenden Besatzungsmitglieder dauert es wie so oft nur einen Wimpernschlag. Denn mit dem Schließen der letzten Tür in Saas Almagell, sind diese nämlich schon eingeschlafen und erwachen meistens kurz vor Ankunft mit den Worten: „Öha, etz hats mi aber weggebeamt“, um mit der nächsten Amtshandlung die Musikanlage zu kapern und völlig überdreht Stimmung ins Auto zu bringen. Der andere Teil der Mannschaft kann staunend dabei zusehen, wie bei der Fahrt hinab vom Furkapass nach Andermatt unser junger Walter Röhrl unserem Wachtmeister Dimpfelmoser (der auf Staatskosten bereits mehrere Fahrsicherheitstrainings absolvierte) eine Minute nach der anderen wegfährt. So oder so kommen wir vor 23 Uhr wieder am Campingplatz an und beginnen alle zusammen unser Husky-Futter(Nudeln, Thunfisch, Tomatensoße) zu kochen. Beim Essen besprechen wir noch das weitere Vorgehen für die nächsten Tage, denn das Wetter soll deutlich schlechter werden. Gegen 1 Uhr wird der letzte Schlafsack-Reißverschluss nach oben gezogen und der „Beautiful Day “ damit abgeschlossen.

Freitag, 28.08.2020: Heimfahrt

Nach dem späten Zubettgehen am vorherigen Tag aufgrund unserer Tour, schlafen wir am Freitag erst einmal aus. Da die Wettervorsage für die kommenden Tage im gesamten Alpengebiet nichts Gutes erahnen lässt (Anmerkung: Nein, wetter.com hat bei 160l/m² kein Komma vergessen) entscheiden wir uns zu einer Krisensitzung am Frühstückstisch. Nach einer längeren Beratung kommen wir zum Ergebnis, dass die vorzeitige Abreise die einzig richtige Entscheidung ist, da auch das Wetter auf dem Zeltplatz, (1585m), ungemütlich zu werden verspricht. Somit packen wir unsere sieben Sachen, zahlen, und machen uns auf den Heimweg. Ohne größere Probleme kommen wir gegen 24 Uhr wohlbehalten in Schwabach an.